Kristin hat 2018 ihren Masterabschluss in der Vertiefungsrichtung Geotechnik und Tunnelbau an der Ruhr-Universität in Bochum gemacht. Seitdem arbeitet sie als Projektingenieurin in der Abteilung Planung Tunnelbau und Geotechnik der Vössing Ingenieurgesellschaft mbH in Düsseldorf und beschäftigt sich vor allem mit geotechnischen Fragestellungen im Zusammenhang mit maschinellem Tunnelvortrieb. Das Thema Setzungsberechnung hat sie schwerpunktmäßig sowohl in ihrem Studium als auch in den ersten Berufsjahren begleitet.
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So kam ich zum Tiefbau
Eindrucksvolle Gebäude und Brücken haben mich schon immer begeistert, besonders deren Architektur. Nach einem Praktikum in einem Architekturbüro und aufgrund der zu der Zeit schlechten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt entschied ich mich jedoch für die Seite der Ingenieure. Mit der Begrüßung „Wir machen alles, was man nicht sieht“ haben mich die Tiefbaumodule an der Uni erst einmal gar nicht angesprochen.
Durch die Teilnahme an Tagungen und Exkursionen während des Studiums habe ich erste Einblicke in die Praxis und spannende Großprojekte im Tiefbau erhalten. Der Forschungsschwerpunkt der Fakultät an der Ruhr-Uni Bochum mit dem SFB 837 zu Interaktionsmodellen für den maschinellen Tunnelbau hat mich schließlich zum Tunnelbau gebracht. Besonders begeistert am maschinellen Vortrieb haben mich die fortschrittliche Technik sowie das Zusammenspiel so vieler verschiedener Disziplinen. Jedes Tunnelbauprojekt ist durch die unterschiedlichen Randbedingungen, insbesondere den Baugrund individuell. Bei einem Städtetrip darf bei mir jetzt eine Fahrt mit der U-Bahn in keinem Fall fehlen.
Während meines Studiums habe ich als HiWi am Lehrstuhl für Grundbau, Boden- und Felsmechanik an der Ruhr-Universität Bochum gearbeitet. Um herauszufinden, ob es nach dem Studium mit einer Promotion oder dem Einstieg in die Praxis weiter gehen soll, habe ich mich entschlossen vor der Masterarbeit ein Praktikum im Ingenieurbüro zu machen und habe mich daher bei der Vössing Ingenieurgesellschaft beworben. Aus dem Praktikum ergab sich schließlich eine Masterarbeit in Kooperation mit Vössing, eine Werkstudententätigkeit während der Masterarbeit und nach meinem Masterabschluss der Berufseinstieg. Ich arbeite seitdem als Projektingenieurin an verschiedenen Straßen- und Bahntunnelprojekten, u.a. an dem Projekt Nordmainische S-Bahn, welches ich schon seit meinem Praktikum begleite.
Setzungen beim maschinellen Tunnelvortrieb
Aufgrund des zunehmenden Verkehrsaufkommens steigt die Nachfrage an Infrastruktur. Da besonders im innerstädtischen Raum die Platzverhältnisse begrenzt sind, werden Verkehrswege unter die Oberfläche gelegt. Dafür werden neue Straßen- oder Bahntunnel erforderlich. Die Herstellung eines Tunnels in Lockergesteinsböden führt dabei jedoch unvermeidbar zu Spannungsänderungen und Verformungen im Baugrund.
Setzungen treten beim maschinellen Tunnelvortrieb zu verschiedenen Zeitpunkten während des Vortriebs auf (Abbildung 1). Vorauseilende Setzungen entstehen durch Spannungsumlagerungen im Baugrund. Während der Schilddurchfahrt treten Verformungen durch den Überschnitt des Schneidrads und die Konizität der Schildmaschine auf. Im Schildschwanzbereich kommt es vortriebsbegleitend durch unzureichende Ringspaltverpressung zu Setzungen. Nachlaufend können Verformungen durch Konsolidation, Schwinden des Ringspaltmörtels oder Verformungen des Tunnelausbaus entstehen.
Im innerstädtischen Raum entsteht hierdurch ein Risiko für die bestehende Infrastruktur. Im Rahmen der Planung von Tunnelbauprojekten ist die Prognose von Setzungen des Baugrunds und die Bewertung möglicher Schäden von Bestandsbebauung daher ein wesentliches Thema.
Setzungsprognose und Schadensbewertung
Üblicherweise werden die Setzungen des Baugrunds infolge maschinellem Tunnelvortrieb mit dem empirischen Verfahren nach Peck (1969) [L1] ermittelt. Demnach stellt sich die Verteilung der Setzungen an der Geländeoberkante über einer Tunnelröhre in Form einer Gauß-Normalverteilung ein (Abbildung 2).
Eingangsparameter für die Ermittlung der Setzungskurve sind der bezogene Volumenverlust VLs sowie der Wendepunktabstand i. In der Literatur existieren unterschiedliche Ansätze zu deren Ermittlung. Im deutschsprachigen Raum werden meist die empirischen Werte nach Fillibeck (2012) [L2] angesetzt. Der Wendepunktabstand ermittelt sich dabei in Abhängigkeit der Bodenart und Lagerungsdichte bzw. Konsistenz und der Überdeckung. Der Volumenverlust liegt nach Fillibeck (2012) bei maximal 0,4% abhängig von der Art der Ortsbruststützung, der Überdeckung und dem Ausbruchquerschnitt At. Die Berechnung basiert auf der Annahme, dass der Volumenverlust im Ausbruchquerschnitt identisch mit dem Volumen der Setzungsmulde ist.
Das empirische Berechnungsverfahren bezieht sich ursprünglich auf die unbebaute Geländeoberfläche (greenfield). Die Interaktion zwischen Tunnelvortrieb, Baugrund und vorhandener Bebauung wird vernachlässigt, d.h. es wird angenommen, dass sich die Bebauung identisch zum Baugrund verformt.
Zur Schadensbewertung wird anhand der Setzungskurve die maximale Winkelverdrehung im Bereich der Bebauung ausgewertet. Zur Festlegung der zulässigen Verformungen wird auf Erfahrungswerte in der Literatur zurückgegriffen. Nach Kramer (1987) [L3] resultieren Winkelverdrehungen bis zu 1/250 in architektonischen Schäden, größere Winkelverdrehungen hingegen in konstruktiven Schäden. Das Kriterium gilt für Gebäude in Muldenlagerung, für die Sattellagerung wird die zulässige Winkelverdrehung mit dem halben Wert 1/500 angesetzt. Bei Winkelverdrehungen kleiner als 1/1.000 (Muldenlagerung) sind keine Schäden zu erwarten. Zur Vermeidung von architektonischen Schäden werden aus ökonomischen Gründen grundsätzlich keine Sicherungsmaßnahmen eingeplant.
Das Projekt
Für den Neubau der S-Bahn Rhein-Main, Nordmainische S-Bahn, wurde die Vössing Ingenieurgesellschaft als federführendes Mitglied einer Ingenieurgemeinschaft durch die DB Netz AG und DB Station&Service AG mit der Entwurfs- und Genehmigungsplanung im Rahmen der Objektplanung Ingenieurbauwerke sowie der Fachplanung Tragwerksplanung für den unterirdischen Abschnitt in Frankfurt am Main beauftragt. Die Nordmainische S-Bahn soll im Westen an ein bereits in den 80er Jahren im Rohbau hergestelltes Tunnelende hinter der Station Konstablerwache anschließen, im Frankfurter Stadtgebiet zunächst auf einer Länge von ca. 1,6 km, inkl. einer neuen S-Bahnstation, unterirdisch verlaufen und anschließend oberirdisch bis nach Hanau führen. Mit dem Bau soll 2023 begonnen werden. Die Baugenehmigung in Form eines Planfeststellungsbeschlusses wird für 2021 erwartet.
Die Planung des Tunnelabschnitts sieht den Bau von zwei eingleisigen Tunnelröhren im maschinellen Vortrieb mit einem Außendurchmesser von 8,5 m vor. Der Tunnel wird voraussichtlich mittels Hydroschild aufgefahren. Aufgrund der zu berücksichtigenden geometrischen Zwangspunkte werden zahlreiche Gebäude unterfahren, deren geplante Überdeckung sehr gering ist und i.d.R. weniger als 1 D (D = Tunneldurchmesser) beträgt.
Im Rahmen der Entwurfsplanung wurde im Einflussbereich des maschinellen Vortriebs für ca. 100 Gebäude eine Setzungsprognose durchgeführt und die Winkelverdrehung ermittelt. Abbildung 5 zeigt exemplarisch den Verlauf einer prognostizierten Setzungsmulde quer zur Vortriebsrichtung. Zur Beurteilung des Schadenspotentials wurden die zulässigen Winkelverdrehungen nach Kramer (1978) [L3] angesetzt. Im Ergebnis wurden für drei Wohngebäude sowie einen großen Gebäudekomplex und eine zu unterfahrende U-Bahnstation Sicherungsmaßnahmen geplant. Diese Bauwerke wurden teilweise zusätzlich zu der empirischen Setzungsprognose einer detaillierteren Betrachtung mittels 2D- bzw. 3D-FE-Berechnungen unterzogen.
Für mehr Infos zum Projekt schaut hier vorbei: https://www.nordmainische-s-bahn.de/
Für mehr Infos zu Vössing schaut hier vorbei: https://www.voessing.com/de/
Literatur
[L1] R. B. Peck (1969): Deep excavations and tunnelling in soft ground. State of the art report, ICSMFE, Vol 4, 225-281.
[L2] J. Fillibeck (2012): Oberflächensetzungen beim Tunnelvortrieb im Lockergestein – Prognose, Messung und Beeinflussung. Habil., Lehrstuhl und Prüfamt für Grundbau, Bodenmechanik, Felsmechanik und Tunnelbau der Technischen Universität München, Heft 50.
[L3] J. Kramer (1978): Senkungsschäden an Hochbauten durch Fremdeinflüsse. Grundbau und Bodenmechanik an der Universität Essen – GHS. Ein Überblick zu Lehre, Forschung und praktischer Anwendung, Heft 1 der Schriftenreihe
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