Marin Siebert studierte Geotechnologie an der Technischen Universität Berlin, wo er seit 2021 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Ingenieurgeologie ist.
Neben allgemeinen Lehrtätigkeiten am Fachgebiet ist er bei verschiedenen geotechnischen Projekten in beratender Funktion tätig. Außerdem führt er Simulationen für die Entwicklung eines energieeffizienten Hochschulcampus durch.
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Stromübertragungsnetz im Wandel
Am 18. Dezember 2015 wurde ein Gesetz zum Ausbau des Stromübertragungsnetzes beschlossen – demnach sind neue Hochspannungsleitungen im Gleichstrombereich (HGÜ-Leitungen) vorrangig als Erdkabel zu bauen. Freileitungen sind nur noch bei entsprechenden Ausnahmen zu genehmigen, z.B. aus Gründen des Naturschutzes oder bestehender Infrastruktur. Diese Regelung birgt einen enormen Arbeitsaufwand zumal der stetig steigende Anteil an erneuerbaren Energien zeitgleich zu einer Vergrößerung der zu überwindenden Distanzen führt. Folglich bedarf es einer interdisziplinären Zusammenarbeit zur Entwicklung neuer Methoden für unterschiedlichste Anwendungsbereiche (Bodenarten, Ökosysteme, Nutzungsbestände).
Aktueller Stand der Technik
Das Verlegen von Kabeln und Rohrleitungen im Graben ist in den zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Erdarbeiten im Straßenbau (ZTV-E Stb) geregelt. Es soll zunächst der Graben ausgehoben, die Verlegearbeiten ausgeführt und anschließend das ausgehobene Material lagenweise wieder eingebaut und verdichtet werden. Dabei ist sicherzustellen, dass der Verdichtungsgrad des eingebauten Materials bei 97% Proctordichte liegt, also der maximal erreichbaren Dichte bei optimalem Wassergehalt.
Allerdings stammen die Regelwerke ursprünglich aus dem Straßenbau, folglich fehlt ein Bezug zur Thematik Erdkabel. Die aufgestellten Regelungen zielen hierbei stets darauf ab, Schäden an Straßen- und Linienbauwerken z.B. durch Setzung zu vermeiden. Vorgaben hinsichtlich der Wärmeleitfähigkeit oder Wassersättigung der Grabenfüllung werden nicht gestellt. Die Plausibilität dieser Vorgaben für den Anwendungsfall Erdkabel ist vor diesem Hintergrund kritisch zu untersuchen.
Wärmentwicklung im laufenden Betrieb und die Frage der Dichte
Während des Betriebs von Hochspannungskabeln kommt es zu Übertragungsverlust, dem sogenannten Ohm‘schen Verlust. Dieser äußert sich in der Entwicklung hoher Temperaturen, wobei die Maximaltemperatur abhängig von der Spannung bei über 80°C liegen kann. Bei Freileitungen kommt es so zur Erwärmung der umgebenden Luft, wohingegen bei Erdkabeln sowohl die Erwärmung des umliegenden Bodens als auch der Grabenfüllung kritisch betrachtet werden müssen.
Abhängig vom Material des Kabels darf die Erwärmung einen bestimmten Grenzwert nicht überschreiten, um Beschädigungen zu vermeiden. Wie stark sich Boden und Grabenfüllung erwärmen, wird bestimmt durch die Wärmeleitfähigkeit des Materials und Porenmediums. Je geringer die Leitfähigkeit, desto dämmender wirkt das Material – es kommt zu einem Wärmestau und daraus resultierend zu einer kontinuierlichen Temperaturerhöhung. Ist der Porenraum mit Luft gefüllt findet die Wärmeübertragung vorwiegend an den Kornkontakten statt, da Luft eine wesentlich schlechtere Wärmeleitfähigkeit als z.B. Sand hat.
Mit steigender Wassersättigung nimmt die Wärmeleitfähigkeit im Porenraum zu und somit auch dessen Anteil an der Wärmeübertragung, während die Kornkontakte nur noch eine untergeordnete Rolle spielen.
Der Anteil des Porenraums und somit auch die Art der Wärmeübertragung kann direkt über den Verdichtungsgrad gesteuert werden (Abbildung 1). In dichtem Boden ist der (zusammenhängende) Porenanteil geringer und umso höher der Anteil der Wärmeübertragung an Kornkontakten. Es ist jedoch zu beachten, dass die hohen Temperaturen im Hochspannungsbetrieb zwangsläufig auch zur Verdunstung von Porenwasser führen. Dies hat nicht nur eine Reduzierung der Wärmeleitfähigkeit zur Folge, sondern erzeugt potenziell auch ein Strömungsgefälle des Grundwassers zum Kabel.
Zur erfolgreichen Regulierung der erzeugten Abwärme sind neben den natürlichen Verhältnissen also sowohl die thermischen Eigenschaften von Bodenmaterial und Porenraum als auch der Verdichtungsgrad gekoppelt zu betrachten.
Bei mehreren parallel verlegten Kabeln muss nicht nur die Wärmeentwicklung des einzelnen Kabels berücksichtigt werden, sondern auch die gegenseitige Beeinflussung der entstehenden Temperaturfelder und mögliche daraus resultierende Rückkopplungseffekte. Die Temperatur kann über Wärmefühler geprüft und anschließend mithilfe numerischer Simulation modelliert werden. Daraus entstehende Modelle können dann für weitere Optimierungen und Vorhersagen genutzt werden.
Herausforderungen und Ausblick
Die politische Entscheidung zum Verlegen von Erdkabeln stellt neue Fragen im Hinblick auf die technische Durchführung und zu erwartende Auswirkungen des Netzausbaus. Bestehende Regelwerke legen nur unzureichende Vorgaben fest und sind im Zuge dieser Entwicklung zu erweitern oder durch Alleinstehende Normen zu ersetzen. In diesem Zusammenhang sind begleitende Untersuchungen und Forschung insbesondere zur Beziehung von Temperatur, Verdichtung und Wassergehalt unerlässlich.
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