(Foto: Anne-Sophie Mreyen)

Anne-Sophie Mreyen hat 2016 ihren M.Sc. in Geophysik, Ingenieur- und Hydrogeologie an der RWTH Aachen absolviert. Während ihrer Masterarbeit beschäftigte sie sich mit einer alten Hangrutschung in Belgien, die erst kürzlich entdeckt wurde und einen möglichen seismischen Ursprung aufweist. Aus dieser Arbeit heraus entwickelte sich das Thema ihrer Doktorarbeit, in der sie alte Rutschungen unbekannten Ursprungs in Rumänien mit geophysikalischen Erkundungsmethoden und numerischer Modellierung untersuchte. Letztere schloss sie erfolgreich im Januar 2021 an der Universität ULiege in Belgien ab. Mehr Informationen findet ihr bei LinkedIn oder ResearchGate.

Welche Ursache haben natürliche Hangrutschungen?

Hangrutschungen, oder auch Erdrutsche genannt, sind Massenbewegungen, die in den verschiedensten Regionen aus verschiedensten Gründen auftreten können. Abgesehen von anthropogen verursachten Instabilitäten, können natürliche Massenbewegungen durch klimatische und/oder seismische Einflüsse entstehen (siehe Abb. 1). Klimatisch induzierte Instabilitäten entstehen häufig durch starke Regenfälle, die die haltenden Kräfte eines Hanges reduzieren; sie werden des öfteren an steilen Hangflanken und in Talnähe beobachtet. Seismische Hangrutschungen können sehr tiefsitzend sein und werden vermehrt an Hügel- oder Bergkämmen beobachtet; hier werden die seismischen Wellen durch topographische Effekte verstärkt.

Abb. 1: Schematisierung beobachteter seismischer vs. klimatischer Rutschungsmerkmale.
(Abbildung: Anne-Sophie Mreyen)

Vor allem bei prähistorischen Rutschungen stellt sich die Frage nach dem Ursprung der Instabilität. In der Paleoseismologie können alte Erdrutsche höchst interessant sein, wenn sie sich in aktiven, oder ehemals aktiven seismischen Regionen befinden, und somit als Merkmal zu vergangener und möglicherweise zukünftiger seismischer Aktivität dienen können.

Belgien und Hangrutschungen – ein Widerspruch?

Denkt man an Entstehungsorte natürlicher Hangrutschungen, so denkt man wohl eher an Gebirgsregionen mit steilen Hängen und tiefen Tälern. Doch auch in Belgien, das sich durch ein sanfteres Relief auszeichnet als beispielsweise die Alpen, gibt es Rutschungen. In den flämischen Ardennen, sowie im Herver Land in der Nähe von Aachen, sind mehrere recht alte (mehrere tausend Jahre), aber auch rezente (oder reaktivierte) Massenbewegungen im Lockergestein bekannt.

Für Aufsehen sorgten zwei Rutschungen im Festgestein die bis zum Jahre 2015 völlig unbekannt waren, und die sich südlich des Hohen Venns in der Nähe der wallonischen Ortschaft Malmedy befinden. Interessanterweise befinden sich diese Rutschungen, die wir die Bévercé Rutschungen nennen, entlang der bekannten Hockai Störungszone, die wohl das größte historische Erdbeben Europas in der Nähe von Verviers im Jahr 1692 beherbergte. Mittels geophysikalischer Erkundungen (elektrische und seismische Methoden), konnte das Volumen des größeren der beiden Hangrutschungen in Bévercé bestimmt werden (siehe 2D Schnitt in Abb. 2). Eine numerische Rückmodellierung, die darauf abzielt die Entstehung und Entwicklung des Hanges nachzuvollziehen, konnte zeigen, dass der Hang wahrscheinlich durch eine Kombination aus klimatischen und seismischen Effekten getriggert wurde. Zudem konnte ein Steilhang unmittelbar neben der großen Rutschung als Störungsausbiss identifiziert werden und der Hockai Störungszone zugewiesen werden. Diese neuen Resultate können als ein weiteres Puzzlestück in der Erkundung der seismischen Geschichte Belgiens angesehen werden; Paleoseismologen wollen nun die Bévercé Rutschungen datieren, um herauszufinden, wann diese entstanden sind.

Abb. 2: Geomodell der Bévercé Rutschungen mit 2D Schnitt der großen Rutschung, durch die eine normale Verwerfung der Hockai Störungszone läuft. (Abbildung: Anne-Sophie Mreyen)

Rutschungen in den rumänischen Flysch-Karpaten – seismischen Ursprungs?

Ähnlich zu den belgischen Rutschungen stellt sich in den rumänischen Flysch-Karpaten die Frage nach dem Ursprung einiger voluminöser Rutschungen. Die Region Vrancea-Buzau, im SE des Karpatenbogens, ist für ihre seismische Aktivität in den letzten Jahrhunderten bekannt (mit nicht weniger als 13 historischen Erdbeben einer Magnitude M>7). Der Oberflächeneffekt der Erdbeben wird allerdings durch ihre Tiefe gedämpft – die Hypozentren liegen meist zwischen 90-150 km unter der Erdoberfläche. Es ist bekannt, dass einige dieser Erdbeben Schäden an Gebäuden und Infrastrukturen verursacht haben. Aufzeichnungen zu durch Erdbeben ausgelöst Rutschungen gibt es aus historischen Gründen jedoch kaum; die zahlreichen Erdrutsche in den Tälern der Region werden meist als klimatisch ausgelöst angesehen.

Eine besonders imposante Rutschung unbekannten Ursprungs und Alters, die Balta Rutschung, zeichnet sich durch einen sehr tiefen Abrisshang und voluminöse Rutschungsablagerungen aus. Erneut konnte das Volumen durch geophysikalische Messungen, wie auch geomorphologische Beobachtungen, bestimmt werden – ca. 30 Mio. m³ Material haben sich vom Hang gelöst (siehe Abb. 3a-b). Eine numerische 3D Rückmodellierung konnte zeigen, dass eine so große Festgesteinsmasse in den gegeben lokalen und regionalen Bedingungen nur durch eine seismische Quelle ausbrechen kann. Interessanterweise spielt hier die Strukturgeologie eine wichtige Rolle; die Simulierungen konnten zeigen, dass der kombinierte Effekt von den in den Hang einfallenden Schichten (bedding) des Flysch-Gesteins und die dazu entgegengerichtet einfallenden Klüftungen (joints) eine tiefsitzende, rotierende Rutschung unter Erdbebenwellen begünstigen (siehe Abb. 3c-d). Dabei konnten wir ebenfalls bemerken, dass ein laterales Ausfließen des Materials unter seismischen Bedingungen durch die lokale Geomorphologie begünstigt wurde, und wahrscheinlich zur Bildung eines natürlichen Taldamms geführt hat. Noch heute kann man den veränderten Flusslauf am Fuße der Rutschung sehen, der dementsprechend durch die Rutschmassen zu einem Umweg gezwungen wurde.

Abb. 3: a – Die Balta Rutschung in ihrer aktuellen Morphologie (die gerutschte Masse ist in grün gekennzeichnet), b – 2D Schnitt des aktuellen Balta Rutschs und rekonstruierter Topographie, c – 3D numerisches Rückmodell mit Flysch-Schichtung, und d – 2D Schnitt mit modellierter Strukturgeologie. (Abbildung: Anne-Sophie Mreyen)

Ausblick

Hangrutschungen entstehen unter sehr individuellen Bedingungen, auf einem lokalen wie auch regionalen Maßstab. Rückwirkend zu verstehen, welche Faktoren zu der Instabilität geführt haben, ist weder einfach, noch eindeutig. Oftmals helfen uns geomorphologische Merkmale dabei zu erkennen, ob ein Hang potentiell durch seismische Einflüsse gerutscht ist, oder ob auch klimatische Verhältnisse eine plausible Erklärung bieten. Numerische Modellierung kann dabei helfen die Entwicklungsgeschichte einer Massenbewegung zu verstehen, dies verlangt jedoch ausreichende Vorkenntnisse geologischer, struktureller und geotechnischer Begebenheiten. Konnte ein möglicher seismischer Kontext durch Modellierung etabliert werden, beginnt die Arbeit der Paleoseismolog*innen. Diese können mithilfe von Datierungstechniken zum besseren Verständnis der zeitlichen Einordnung helfen, und somit den vergangenen und möglicherweise zukünftigen seismischen Kontext der Region besser eingrenzen. 

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