Katrin Dohmen studierte Geotechnologie an der Technischen Universität Berlin. Seit 2019 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Ingenieurgeologie der TU Berlin, wo sie bereits während ihres Studiums als studentische Hilfskraft tätig war. Neben ihrer Lehrtätigkeit am Fachgebiet arbeitet sie in einem Projekt mit, welches sich mit Tsunamis beschäftigt, die durch Hangrutschungen verursacht werden.
Für weitere Informationen zu Katrin Dohmen schaut gerne auf ihrem LinkedIn Profil vorbei.

Hangrutschungen können Tsunamiwellen auslösen

Hangrutschungen sind eins der größten Forschungsgebiete der Ingenieurgeologie. Bereits in einigen der vergangenen Blogbeiträge wurde auf die Gefahr durch Hangrutschungen für Menschen und Infrastruktur eingegangen. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass Massenbewegungen Tsunamis auslösen können. Diese werden auch Rutschungstsunamis genannt und entstehen, wenn Hänge, die an eine Küste angrenzen, kollabieren und die Rutschmassen ins Wasser fallen. Dies kann sowohl oberhalb als auch unterhalb der Wasseroberfläche passieren. Zudem sind nicht nur Meeresküsten, sondern auch Seen und Flüsse betroffen.

Tsunamiwellen, die durch Hangrutschungen hervorgerufen werden sind sehr lokale Phänomene. Das bedeutet, in der Nähe der Hangrutschung können sich sehr hohe Wellen entwickeln, diese breiten sich aber meist nicht über weite Entfernungen aus, üblicherweise nicht mehr als 100 km. Die besondere Gefahr, die von Rutschungstsunamis ausgeht, ist ihre schnelle Ankunftszeit an der Küste. Die Tsunamiwellen werden in der Regel von Rutschungen direkt an der Küste oder submarin kurz vor der Küste ausgelöst. Dadurch ist die Zeit zwischen dem Auslösen der Welle und der Ankunft an der Küste extrem kurz, sodass eine Frühwarnung der Bevölkerung erschwert ist.

Palu und Anak Krakatau

Anlass und Motivation für die Studie sind zwei Tsunamis, die im Jahr 2018 in Indonesien durch Hangrutschungen verursacht wurden. Am 28. September ereignete sich nördlich der Stadt Palu ein Erdbeben, durch das in der Bucht von Palu zahlreiche Massenbewegungen hervorgerufen wurden. Diese lösten jeweils Tsunamiwellen aus, deren Wirkung sich innerhalb der Bucht überlagern und verstärken konnten, wodurch Tsunamiwellen von bis zu 9 m Höhe die Stadt Palu trafen. Nur wenig später, am 22. Dezember kollabierte die Flanke des Vulkans Anak Krakatau nach einer Periode erhöhter vulkanischer Aktivität, wodurch ebenfalls ein Tsunami ausgelöst wurde.

Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen

Das Problem beschränkt sich aber natürlich nicht nur auf die Küsten Indonesiens. Weltweit gibt es zahlreiche bekannte Fälle von Tsunamis, die durch Rutschungen ausgelöst wurden. Um die Zusammenhänge zwischen den Hangrutschungen und den Wellen, die sie auslösen können, besser zu verstehen werden in dem Projekt systematisch alle Fälle von Rutschungstsunamis, die in der Vergangenheit dokumentiert wurden untersucht. Es werden die Eigenschaften der Hangrutschung, z.B. die Fallhöhe oder das Volumen und die geometrischen Eigenschaften der Wasserkörper, z.B. die Wassertiefe oder die Neigung des Meeresbodens mit der Höhe der hervorgerufenen Wellen verglichen (Abbildung 1). Dies soll Aufschluss darüber geben, welche Eigenschaften besonders förderlich für das Auftreten von Rutschungstsunamis sind, und welche Gebiete deshalb in Zukunft gefährdet sein könnten.

Abbildung 1: Schematische Skizze eines Rutschungstsunamis mit einigen der betrachteten geometrischen  Parameter (Abb.: Katrin Dohmen).

Seismisch aktive Gebiete

Die gefundenen Fallstudien sind in Abbildung 2 zu sehen. Besonders gefährdet sind die Küsten entlang des Pazifischen Feuerrings. Durch die hohe seismische Aktivität werden dort immer wieder Hangrutschungen hervorgerufen, von denen einige Tsunamis induzieren können. Dies macht sich insbesondere an den Westküsten der USA und Kanadas, in Japan und auf den Philippinen bemerkbar. Zudem können bei starken Erdbeben mehrere Hangrutschungen auf engem Raum simultan entstehen. Werden dadurch mehrere Rutschungstsunamis gleichzeitig hervorgerufen, können sich die entstandenen Wellen überlagern und verstärken und werden dadurch zu einer besonderen Gefahr für die Küstengebiete. Dies war, wie oben beschrieben, beispielsweise in Palu in Indonesien der Fall.

Fjorde und Buchten

Auch an den von Fjorden geprägten Küsten Norwegens, Grönlands, Alaskas und Kanadas wurde eine Vielzahl von Tsunamis durch Rutschungen dokumentiert. Fjorde sind lange und schmale Buchten, die durch sehr hohe und steile Hänge gekennzeichnet sind. Durch das Abschmelzen der Gletscher verlieren diese Hänge mit der Zeit an Stabilität, wodurch immer wieder teils sehr große Hangrutschungen entstehen. Fallen die Rutschmassen in die schmalen und langgezogenen Buchten, können die entstandenen Wellen, ähnlich wie in einer Badewanne, an den Hängen reflektiert und dadurch verstärkt werden. Daher werden insbesondere Buchten mit einer länglichen und schmalen Geometrie genauer betrachtet.

Tsunamis können auch in Binnengewässern auftreten

Abgesehen von Meeresküsten können auch die Küsten von Reservoiren, natürlichen Seen und Flüssen betroffen sein. Vor Allem in Reservoiren wird die Stabilität der Hänge durch die variierenden Wasserspiegel beeinflusst, wodurch es schon häufig zu Hangrutschungen kam. Das berühmteste Beispiel für einen Rutschungstsunami in einem Reservoir ist der Bergrutsch von Vajont in Norditalien. Im Jahr 1963 rutschten dort etwa 270 m³ Gestein in einen Stausee und verursachten eine 260 m hohe Flutwelle, die die Staumauer überspülte und mehr als 2000 Menschen in den stromabwärts gelegenen Dörfern tötete. Auch am Drei-Schluchten-Staudamm in China kommt es durch die saisonalen Wasserspiegelschwankungen regelmäßig zu Rutschungen. Seit Beginn der Flutung im Jahr 2003 wurden an den Küsten des Stausees mehrere tausend Hangrutschungen hervorgerufen. Viele davon lösten Tsunamiwellen aus.

Abbildung 2: Überblick über die weltweit dokumentierten Rutschungstsunamis (Abb.: Katrin Dohmen).

Wie geht es weiter?

Im weiteren Verlauf des Projekts wird der Einfluss der Eigenschaften der Rutschungen und der Wasserkörper auf die Ausbreitung und Höhe der Tsunamiwellen genauer untersucht. Abhängig davon werden weitere Küstenabschnitte mit möglicherweise gefährlichen Eigenschaften ausgewählt. Für diese Küstenabschnitte wird dann zunächst die Stabilität der Hänge und mögliche Massenbewegungen, sowie die dadurch hervorgerufenen Tsunamiwellen modelliert. Ziel ist es, die gefährdeten Küstenbereiche zu definieren, um dort geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen und die Bevölkerung über die Gefahr dieser besonderen Tsunamis aufzuklären.

Förderhinweis

Das Projekt TsunamiRisk (Förderkennzeichen 03G0906E) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Aktuelle Informationen zu dem Projekt gibt es auf der Projekt Website.