(Foto: Antonia Nitsch)

Antonia hat Bauingenieurwesen mit den Vertiefungen Geotechnisches Ingenieurwesen und Konstruktiver Ingenieurbau am Karlsruher Institut für Technologie studiert. Dort hat sie sich während ihrer Masterarbeit mit dem Thema der numerischen Umsetzung des Quellprozesses in Tonstein beschäftigt und setzt ihre Forschung nun im Rahmen ihrer Promotion fort. Seit Mai 2020 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bodenmechanik, Grundbau und Umweltgeotechnik an der Ruhr-Universität Bochum und seit September 2020 auch am Fachgebiet Bodenmechanik und Grundbau/Geotechnik der Brandenburgisch-Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Für weitere Informationen schaut gerne auf ihrem Profil bei Linkedin oder Researchgate vorbei.

Expansive Tone in der Baupraxis

Einige Gesteine und Böden neigen aufgrund ihrer tonmineralogischen Zusammensetzung bei Kontakt mit Wasser zur Expansion. Je nach Randbedingung äußert sich das sogenannte Quellen entweder als Verformung oder durch den Aufbau des Quelldrucks. Anwendung finden expansive Tone z.B. im Rahmen des Multibarrierenprinzips der nuklearen Endlagerung (s. Abb. 1), wo sie sowohl als Abdichtungsmaterial als auch im Wirtsgestein aufgrund ihrer Quellfähigkeit und geringen hydraulischen Durchlässigkeit von großer Bedeutung sind. Durch die Anlagerung von Wasser und der damit verbundenen Expansion bestimmter Tonminerale wird eine Migration von Schadstoffen verhindert und die Biosphäre geschützt. Die Dichtheit der Barriere darf dabei nicht durch die Entwicklung von z.B. zu großen, ungünstigen Quelldrücken gemindert werden, weshalb eine genaue Vorhersage des Materialverhaltens nötig ist.

Abb. 1: Geotechnisches Tiefenlager für die nukleare Endlagerung (Abb.: Antonia Nitsch).

Auch für den Tunnelbau im quellfähigen Gestein ist die zuverlässige Prognose von Verformungen und Quelldruck von großem Interesse. Sowohl die Belastungsgeschichte aufgrund der durch Ausbruch und Ausbau induzierten Wechselwirkung zwischen Wirtgestein und Tunnelschale, als auch die Erschaffung neuer primärer Fließwege müssen bei der Planung berücksichtigt werden. In der Baupraxis führt die Durchörterung quellfähiger Schichten oft zu erheblichen Problemen, da die Entlastung des unter Druck stehenden Gebirges Verformungen, Querschnittsminderungen und Sohlhebungen bewirkt (s. Abb. 2). Diese beiden Anwendungsfälle verdeutlichen wie wichtig eine korrekte Vorhersage des Quellens und des allgemeinen hydro-mechanisch gekoppelten Verhaltens expansiver Geomaterialien ist.

Abb. 2: Äußerungen des Quellens im Tunnelbau (Abb.: Antonia Nitsch).

Hydromechanisches Materialverhalten und die Phänomene Quellhebung / Quelldruck

Quellen als Phänomen wird oft durch die Betrachtung der beiden Extremzustände, der Quellhebung, d.h. maximale (volumetrische) Verformung bei sehr geringer Spannung (nahezu 0), und des Quelldrucks, d.h. der maximalen Spannung bei volumenkonstanten Bedingungen (keine Verformung), erfasst (s. Skizze in Abb. 3 und Versuchsergebnisse in Abb. 4). Beide Phänomene sind jedoch auf den gleichen Mechanismus zurückzuführen, die Bewässerung des Materials, und stellen sich je nach mechanischer Randbedingung ein. Damit wird sofort deutlich, dass man Quellen stets als hydro-mechanisch gekoppelten Prozess auffassen und modellieren sollte, der sowohl zeitlich als auch räumlich variabel ist. Zwischen den beiden Extrema Quellhebung und Quelldruck existieren noch zahlreiche andere Zustände, z.B. zunächst freies Quellen bei unbehinderter Verformung und spätere Quelldruckentwicklung. Außerdem ist natürlich auch das teilgesättigte Materialverhalten von großem Interesse. Quellen ist nämlich nicht nur von den hydro-mechanischen Randbedingungen und Eigenschaften abhängig, sondern beeinflusst diese auch wechselseitig. So reduziert sich durch das Quellen beispielsweise die hydraulische Durchlässigkeit (wichtig für den Abdichtungseffekt) und auch die Steifigkeit des Materials.

Abb. 3: Skizze der zeitlichen Entwicklung von Quellhebung und Quelldruck und Darstellung als Verformung über Spannung (Abb.: Antonia Nitsch).
Abb. 4: Zeitliche Entwicklung von Quellhebung und Quelldruck über die Zeit für ödometrische Quellversuche an Opalinuston (Nitsch et al., 2021).

Vorhersage des Materialverhaltens expansiver Tone

Das Materialverhalten expansiver Tone kann auf viele verschiedene Arten vorhergesagt werden. Aus dem Erfahrungsschatz zahlreicher Untertagebauwerke existieren z.B. empirische Modelle, die insbesondere den finalen Wert des Quelldrucks und der Verformung bei Entlastung gut abschätzen können. Andere Ansätze verfolgen physiko-chemische Modelle, die sich auf die in der Mikrostruktur der expansiven Tone ablaufenden Prozesse fokussieren, z.B. den Kationen-Austausch innerhalb der Schichtsilikate der Tonminerale. Diese Art von Modellen ist jedoch schwer auf baupraktische Fragestellungen skalierbar und nicht in der Lage die zeitliche Entwicklung des Quellens abzubilden. Eine Alternative stellen numerische Simulationen mit der Finiten-Elemente-Methode dar, da hier die hochkomplexen Randbedingungen berücksichtigt werden können, und das Quellen tatsächlich als Folge des Sättigungsprozesses zeitlich und räumlich aufgelöst werden kann. Neben einigen anderen Anforderungen benötigt man hierfür aber vor allem ein geeignetes Stoffgesetz (Beziehung zwischen Spannung und Dehnung). Einfacher gesagt als getan! Einige für die Prognose des Quellverhaltens expansiver Materialien entwickelten Stoffmodelle zeigen bereits gute Simulationsergebnisse (z.B. das Barcelona Basic und Expansive Model), erfordern jedoch eine Vielzahl von Materialkonstanten und Zustandsvariablen, die bei der Lösung praktischer geotechnischer Probleme schwierig zu bestimmen und wenig nutzerfreundlich sind. Die korrekte quantitative Vorhersage von Quelldruck, Quellhebung und des weiteren Materialverhaltens, z.B. Be- und Entlastungen, mit einem Satz Materialparameter gelingt bisher nicht zufriedenstellend.

Umsetzung und Lösungsweg meiner Promotion

Im Rahmen meiner Promotion wird ein numerisches Modell entwickelt, das sowohl die Formulierung neuer Konstitutivbeziehungen als auch die Entwicklung geeigneter (gekoppelter) finiter Elemente auf Basis einer erweiterten Theorie Poröser Medien beinhaltet. Diese Elemente können das Anlagern von Wasser während des Quellprozesses durch einen Massentransport zwischen dem Porenwasser und dem Feststoff, also dem Tonmineral, berücksichtigen. Neben den durch das Quellen induzierten Spannungen und Dehnungen kann insbesondere die Änderung der hydraulischen Durchlässigkeit durch die verminderte Porosität aufgrund des Massentransports direkt umgesetzt werden. Die Forschungsarbeit verfolgt einen phänomenologischen Ansatz, der basierend auf demselben Quellmechanismus (Änderung des Sättigungsgrades) je nach Randbedingung Verformung oder Quelldruck vorhersagen kann. Die Formulierung erfolgt im Rahmen der Hypoplastizität und benötigt keine Unterteilung in elastische und plastische Dehnungen. Durch die direkte Kopplung an den Sättigungsgrad kann im Gegensatz zu bestehenden Stoffgesetzen ein natürlicher Übergang zwischen teil- und vollgesättigten Zuständen erreicht und der reziproke Einfluss zwischen Quellen und den Materialeigenschaften abgebildet werden. Das numerische Modell wird auf Basis von experimentellen Ergebnissen entwickelt, die das hydro-mechanisch gekoppelte Materialverhalten in Durchlässigkeits-, Quell- und Ödometerversuchen untersuchen. Die 1D-Formulierung des Stoffgesetzes wurde bereits für verschiedene expansive Materialien getestet. Simulationsergebnisse zeigen bereits jetzt eine sehr gute Prognose von Quelldruck, Quelldehnung und ödometerischen Be- und Entlastungspfaden sowohl für vollgesättigte als auch für teilgesättigte Zustände (s. Abb 5). Das Modell verwendet lediglich sieben Parameter, die anhand von klassischen Quell- und Ödometerversuchen einfach bestimmt werden können und ist somit sehr nutzerfreundlich. Die 3D-Erweiterung des mechanischen Stoffgesetzes ermöglicht in Zukunft auch die Simulation reeller Randwertprobleme.

Abb. 5: 1D-Nachrechnungen von Quell- und Ödometerversuchen nach Nitsch et al. (2021): Laborversuche (links) und Vorhersage des Quellmodells (rechts). Abgeändert von Grandas Tavera et al. (2022).

Referenzen

[1] Nitsch, Antonia; Leuthold, Julia; Machaček, Jan; Wichtmann, Torsten & Grandas Tavera, Carlos Eduardo. Experimental investigations of the stress-dependent swelling behavior of reconstituted claystone. Fachsektionstage Geotechnik, 24. Symposium Felsmechanik und Tunnelbau, 2021.

[2] Grandas Tavera, Carlos Eduardo; Nitsch, Antonia & Machaček, Jan. A 1D Hypoplastic constitutive model for expansive soils. Acta Geotechnica, 2022.

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