(Foto: Sven Schniedermann)

Sven Schniedermann hat Bauingenieurwesen mit der Vertiefungsrichtung Tunnelbau und Geotechnik an der RWTH Aachen studiert. Nach einem kurzen Praxisaufenthalt in der Wirtschaft, wo er sich mit der Tunnelplanung beschäftigte, kam er zurück an den Lehrstuhl für Geotechnik im Bauwesen und das Institut für Geomechanik und Untergrundtechnik der RWTH Aachen, wo er seine Forschung zum Thema Verklebungen im maschinellen Tunnelvortrieb aufnahm. Ziel der Forschung war es, den bekannten Wissensstand zur Entstehung von Verklebungen anhand verschiedener Laborversuche zu überprüfen und die einzelnen Versuche auf ihre Vergleichbarkeit und Aussagekraft hin zu untersuchen. Außerdem war er in der Lehre verschiedener Bachelor- und Masterfächer eingebunden. Seit Oktober 2021 ist er im Bereich Straßenplanung und -bau tätig. Mehr Informationen zu ihm findet ihr bei LinkedIn.

Verklebungen als bekanntes Problem ohne konkrete normative Regelungen

Verklebungen führen im Tunnelbau in vielfältiger Weise zu großen Problem. Zum einen können Abbauwerkzeuge verkleben, sodass die Abbauleistung stark gemindert wird, zum anderen können Verklebungen aber auch zu erhöhtem Verschleiß oder der kompletten Stilllegung eines Vortriebes führen, da z.B. Wartungsarbeiten notwendig werden. Dies führt unweigerlich zu erhöhten Kosten und der Gefährdung von Terminzielen. Nationale als auch internationale Normen und Regelwerke haben das Problem „Verklebungen“ erkannt und führen diese häufig als projektspezifisch einzuordnenden Einflussparameter an. Anhand welcher Maßstäbe (Klassifikationsdiagramme oder -versuche) diese Einordnung erfolgen soll verschweigen die einschlägigen Empfehlungen. Der Arbeitskreis 1.11 („Verschleiß und Verklebung“) der DGGT hat sich unter anderem dieses Problems angenommen, sodass hier Empfehlungen zur Bestimmung und Bewertungen von u.a. der Verklebung ausgearbeitet werden sollen.

Möglichkeiten der Verklebungsprognose

Die Untersuchungen zum meinem Thema starteten Ende 2018. Ziel war es, sowohl künstliche als auch in Tunnelvortrieben gewonnene Bodenproben, mittels verschiedener Verklebungsversuche zu untersuchen und so die Vergleichbarkeit der Versuche und deren Eignung zur Verklebungsprognose bewerten zu können. Zum einen kam der an der RWTH Aachen University entwickelte und gut erprobte Konuszugversuch zum Einsatz, zum anderen wurde der von Zumsteg & Puzrin entwickelte Mixer-Versuch in Kombination mit dem ATUR-Versuch durchgeführt. Die Versuchsergebnisse wurden außerdem mit den weithin bekannten Diagrammen zur Verklebungsprognose nach Hollmann bzw. Thewes abgeglichen.

Abbildung 1: a) Sequenz des Konuszugversuches: Links – Einbau der Probe in Proctortopf; Mitte – Herstellen einer konusförmigen Vertiefung; Rechts: Definiertes einfahren des Versuchskonus in die Probe und herausziehen; b) Mixer-/ATUR-Versuches: Links – Mischen der Probe; Rechts: ATUR-Fallvorrichtung

Neben der Untersuchung von Bodenproben mittels Laborversuchen, schien die Analyse von Vortriebsdaten eine vielversprechende Methode zur Detektion und Einordnung von im Vortrieb auftretenden Verklebungen. So wurden zunächst einfache Korrelationsanalysen, später aber auch neuronale Netze verwendet um Maschinendaten auf ihre Verbindung zu möglichen Einflüssen auf Verklebungen hin zu untersuchen. Auch wurden kontinuierliche Videodaten aus einem Vortrieb analysiert, um mittels verschiedener Algorithmen (Deep Learning mittels Keras) Rückschlüsse auf das Verklebungspotential des geförderten Materials und damit wiederum auf die Vortriebsdaten ziehen zu können. Es hat sich gezeigt, dass der menschliche Einfluss auf Vortriebsdaten die automatisierte Analyse deutlich erschwert. Objektive Bilddaten lassen sich dagegen deutlich einfacher automatisiert aus- und bewerten. Hier stellte die Verfügbarkeit von Daten für mich jedoch eine große Herausforderung dar. Näheres zu den Ergebnissen der Untersuchungen könnten meinem Beitrag zur 36. Baugrundtagung entnommen werden (hier). 

Ausblick auf die zukünftige Forschung

Die Bekanntheit des Problems der Verklebungen bei gleichzeitiger Abwesenheit eindeutiger normativer Regelungen zur Bestimmung und Bewertung von ebendiesen, verdeutlicht die Komplexität aber auch Sensibilität des Themas. Verklebungen führen bei ihrem Auftreten häufig zu Auseinandersetzungen der an einem Tunnelbauprojekt beteiligten Parteien, sodass die Bereitschaft zur Verfügbarmachung von Maschinendaten und Bodenproben aus solchen Projekten stark eingeschränkt ist. Diese sind jedoch essentiell zur näheren Untersuchung von Verklebungen in situ, sodass auch ein Bezug der Versuche zur Realität hergestellt werden kann. Hier wäre es wünschenswert, wenn öffentliche Auftraggeber die Forschung unterstützende Regelungen bezüglich der Datenhoheit schaffen würden. Außerdem ist aufgrund der Komplexität des Themenfeldes ein hohes Maß an Interdisziplinarität gefordert. Ingenieur*innen (Maschinenbau, Bauingenieurwesen) müssen hier mit Naturwissenschaftler*innen (Physik, Chemie) eng zusammenarbeiten, sodass die bei Verklebungen ablaufenden Prozesse vollumfänglich verstanden werden.

Tätigkeiten neben der Forschung und Zukunft

Parallel zur Forschung war ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter, wie vielerorts üblich, auch in die Betreuung von geotechnischen Lehrveranstaltungen aus dem Grund- wie auch Vertieferstudium eingebunden. Für mich war das Vermitteln von Wissen immer das zweite große Standbein meiner Tätigkeit am Lehrstuhl. Als PÜZ-Stelle für die Überwachung des Einbaus von Verpressankern, ermöglichte mir das Institut außerdem verschiedenste Baustellen mit interessanten Eigenheiten hautnah erleben zu können. Nach meiner Zeit im akademischen Umfeld wage ich mich nun weiter in den praktischen Bereich vor und werde im kommunalen Straßenbau bzw. der -planung tätig.

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